Informationen zur MKH (Messung und Prismenausgleich einer Winkelfehlsichtigkeit nach H.J.Haase) aus persönlicher Sicht

von Dr. Urs Schmied - Augenarzt, Wattwil

 

 

Ich werde häufig gefragt:

1. Wieso das (Prismenkorrektionen nach der MHK-Methode) so wenige Augenärzte und –ärztinnen *) machten?

  • Mangelnde Anerkennung der Methode durch die massgebenden wissenschaftlich orientierten Augenärzte (Professoren der Augenheilkunde mit Schwerpunkt Schielheilkunde).
  • Mangelhafte Ausbildung der Augenärzte in Schielheilkunde, weil es für die Praxis einen Hilfsberuf gibt: die Orthoptistin. Diese ist gut in der Schielheilkunde ausgebildet und nimmt den praktisch tätigen Augenärzten den grössten Teil der Schielprobleme ab.
  • Mangelhafte Bezahlung des notwendigen Zeitaufwandes in der Arztpraxis durch die Krankenkassen.
Schweizer Augenärzte, welche Prismenkorrektionen mittels des Polatest (in der Regel nach MKH) machen oder gemacht haben, sind die folgenden:
  • Dr. Heinz Baumann (Luzern), pensioniert, früherer Präsident der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft (SOG); hat über die Methode publiziert. Er war einer der ersten ärztlichen Anwender der Methode.
  • Prof. Dr. Roland Brückner (Basel), verstorben, hat ebenfalls über die Methode publiziert.
  • Dr. David Pestalozzi (Olten), verstorben, hat viel über die MKH publiziert, gründete die IVBV (Internationale Vereinigung für Binokulare Vollkorrektion), als es ungewiss war, ob die Firma ZEISS die Herstellung des Untersuchungsgerätes (des Polatest) einstellen würde oder nicht (heute hat die Firma ZEISS ihre Apparatepalette jedoch erweitert).
  • Dr. Ernst Bürki (Thun), hat publiziert
  • Dr. Christian Bosshard (Solothurn), Publikationen mir nicht bekannt.
  • Ausserdem wenden und wandten verschiedene andere Augenärzte, auch im universitären Bereich, gelegentlich den Polatest für Messungen, z.B. für Methodenvergleiche, an; z.B. PD Dr.med. D. Wieser (heute pensioniert, früher in Basel).

2. Wieso ich selber die Methode anwende?

Das kann ich genau sagen. Ich wende die MKH an, weil:
  1. sie die genaueste Messmethode für Winkelfehlstellungen der Augenachsen ist, die ich kenne. Dies gilt für Augenpaare, die beidäugig mehr oder weniger normal sehen und zusammenarbeiten können, jedoch in der Regel nicht für solche, bei denen Schielen mit Schielschwachsichtigkeit vorliegt. Ähnlich präzise, aber mit gewissen Fehlern behaftet, war der englische TIB (Turville’s Infinity Balance)-Test. Er ist eigentlich das Vorläufermodell des Polatest, welch letzterer aus den Bemühungen von H.J.Haase entstanden ist, die Fehler des TIB-Test auszumerzen. Die hohe Messgenauigkeit des Polatest-Sehprüfgerätes wird schulmässig von der Augenheilkunde nicht bestritten (siehe H. Kaufmann (Hrsg.), Strabismus’, 2. Auflage, Enke Verlag, 1995 und später)
  2. ich selber fast vierzig Jahre lang unter den Folgen eines „versteckten Schielens“ gelitten habe, bis ich eine Prismenbrille erhielt, von einem Augenoptiker angemessen, wohlverstanden, mit der ich zum ersten Mal in meinem Leben normal sehen konnte. Meine Erlebnisse würden mehrere Seiten füllen. Besonders eindrücklich war meine auf das gut fünffache angestiegene Lesegeschwindigkeit und das auf ein normales Erwachsenenmass von 6-7 Stunden gesunkene Schlafbedürfnis. Nicht zu vernachlässigen ist die wesentlich grössere Sicherheit beim Autolenken, vor allem nachts. Bei Nacht und Regen fahre ich heute auf der Autobahn in der linken Spur, früher musste ich 80 km/h fahren oder mich gar auf den Pannenstreifen stellen.
  3. weil ich wissenschaftlich geschult bin (2 Nachdiplomkurse: 8. Postgraduate Kurs in Experimenteller Medizin der Universität Zürich und Diploma in Community Eye Health der Universität London) und durch die vertiefte Beschäftigung mit biostatistischen Methoden zu erkennen meine, dass in jedem fairen Experiment die MKH anderen Methoden zur Bekämpfung von Anstrengungsbeschwerden an den Augen überlegen wäre. Nach der Erkenntnis des Nutzens der MKH wäre es ausserdem für mich unethisch, die Methode meinen Patienten vorzuenthalten.

3. Wieso die Methode umstritten sei.

Auch da müsste man vor allem diejenigen fragen, welche „streiten“; die Methode ignorieren, oder sogar aktiv bekämpfen. Mir hat noch nie jemand im direkten Gespräch die Gründe umfassend dargelegt.


Einer der schärfsten Kritiker der MKH war Prof. Josef  Lang aus Zürich. Als ich ihn einmal noch in seiner inzwischen aufgegebenen Praxis besucht hatte, hatte er mir ungefähr wörtlich folgendes gesagt: „Weißt du, es hat doch jeder  (Augenarzt) seine unzufriedenen Refraktionskunden. Da wäre vielleicht der Polatest (MKH) ganz nützlich“ (Refraktionskunden = Kunden, die zur Brillenbestimmung gekommen sind, kurisv = mein Zusatz). Das habe ich ihm nur bestätigen können. Er selber besass damals einen Polatest, von dem er aber nur noch eine Tafel (einen der  Stereoteste) benützte, jedoch nicht in der korrekten Distanz (nämlich in der halben Solldistanz).

Vermuten kann ich (von unqualifizierten Bemerkungen von Kollegen und Kolleginnen wie „ist doch ein Quatsch“, „verbiegt die Augenmuskeln“ einmal abgesehen), dass folgendes am meisten Widerspruch hervorruft:

  1. Schieloperationen bei Personen, die nicht sichtbar oder nicht dauernd schielen („verstecktes Schielen“ ist aber bei genauer Erhebung der Vorgeschichte oft eigentlich ein zeitweiliges, d.h. intermittierendes Schielen).
  2. Abändern von ärztlichen Brillenrezepten durch Augenoptiker
  3. Die althergebrachte Meinung, Brillen im allgemeinen und Prismenbrillen zur Augenstellungsveränderung im Besonderen würden die Augen „faul“ machen (im Stil von Bates „Besser sehen ohne Brille“ im Original und allen seinen vielen Nachahmer-Kopien)
  4. Die Überzeugung, weil die Augen die Stellungskorrektur selber machen könnten, müssten sie das auch in jedem Fall selber tun. Sozusagen der Mutter Natur nicht dreinschwatzen.
  5. Das Einbeziehen von Stereotesten in den Messvorgang am Polatest.
  6. Mangelnde Kenntnis des in Punkt 4 erwähnten Ausgleichstonus. Wegen des kräftigen Ausgleichstonus ist oft in einer ersten Messung nicht die volle vorhandene Abweichung der Augenachsen messbar. In einer schnellen Messung nach konventionellen Methoden ist oft gar keine Abweichung zu erkennen. Unerfahrene Augenmediziner könnten dann glauben, dass tatsächlich keine Abweichung vorhanden wäre.
Ausserdem könnte das sogenannte „Einfaltspinselsyndrom“ eine Rolle spielen. Darunter versteht man eine Überschätzung der eigenen Kompetenz im eigenen und in fremden Fachgebiet durch gut ausgebildete Personen. Man kann dann ohne böse Absicht Fehler machen,  ohne diese zu bemerken, wenn gerade die eigene nicht bewusste Imkompetenz in der speziellen  Sache dies verhindert. (Journal of Personality and Social Psychology, Vol.77. S.1121 – 1134). Augenärzte sollten zwar gemäss bundesrätlicher Verordnung über den Lernzielkatalog für die Ausbildung in Augenheilkunde vom 01.01.1999 am Polatest ausgebildet werden,  was aber noch nicht erfolgt. Sie sind deshalb in der Sache inkompetent gemäss der Definition im oben zitierten Zeitschriftenartikel.

Kommentar zu diesen Punkten:
 

zu 3.1):

Es gibt grosswinkliges verstecktes Schielen. Wenn es Beschwerden macht, so sind diese meistens erheblich bis heftig und gleichzeitig sehr typisch, jedoch in der klinischen Medizin nicht generell bekannt und führt immer wieder zu diagnostischen Irrläufen (z.B. neurologische Durchuntersuchungen ohne das Resultat einer klaren Diagnose. Prof. R. Brückner hatte viele Fälle sinnloser eingreifender neurologischer Diagnostik, wie Karotisangiogramme, in seinen Akten gehabt). Mit Erfahrung kann man die Diagnose „grosswinkliges verstecktes Schielen“, meist hohe Esophorie, seltener Exophorie in der Fachsprache, jedoch oft aus der Vorgeschichte, sozusagen am Telefon, schon stellen, und braucht keinen Polatest dazu. Letzterer erleichtert aber die Messung und macht sie genauer. Erfahrene Untersucher (wie mein früherer Lehrer PD Dr. D. Wieser in Basel) konnten hohe Esophorien auch ohne Polatest, durch eine präzise Erhebung der Vorgeschichte und mittels ‚Über-Nacht-Okklusion’ eines Auges erkennen.


Die Beschwerden sind sehleistungsabhängig. Wenn sie mit einer Teilkorrektur (Prismenbrille) nicht erträglich gemacht werden können, so ist eine Schieloperation die logische und zielführende Therapie. Was sollte man denn sonst tun? Solche Operationen werden von erfahrenen Schieloperateuren seit Jahrzehnten, ob mit oder ohne Polatest, erfolgreich durchgeführt.


Wenn allerdings die Diagnose nicht gestellt wird, so sind Irrwege möglich, wie erwähnt. Nicht alle Neurologen kennen das an sich typische Beschwerdebild. Früher waren vergebliche Angiogramme im Kopfbereich, heute sind vergebliche MRI-Untersuchungen und vergebliche, da nicht zielführende Einweisungen in die neurologischen Kliniken üblich. In einer retrospektiven Pilotstudie fand ich vor einigen Jahren eine Verzögerung  von 11.4 Jahren von den ersten typischen asthenopischen Symptomen bis zur Diagnosestellung „verstecktes Schielen mit grossem Winkel“ und mittlere Medizinalkosten bis zur Diagnosestellung von etwa SFr. 8000.- (Extremwerte Fr. 500.- bis über Fr. 70,000.-). Der Polatest erlaubt die Diagnosenstellung innert Minuten und die Kosten (für die Diagnosenstellung) betragen einen Bruchteil davon.


Wenn einmal jemand im Alter von 50 Jahren und darüber im Brustton der Überzeugung sagt: „gemäß Professor X, der alles zweimal sorgfältig abgeklärt hat, habe ich ganz besondere Kopfschmerzen, die nicht behandelbar sind“, dann ist allerdings ausser der Früh-Verrentung meist nichts mehr zu machen. Ähnlich verhält es sich, wenn ein solches verstecktes Schielen erst nach einem Unfall im Kopfbereich symptomatisch wird und die Beschwerden der Betroffenen als ‚Simulation’ bezeichnet worden sind.

zu 3.2):

Abändern von Brillenrezepten durch Augenoptiker. Nach OR Art. 365ff besteht zwischen Kunden, die ein ärztliches Brillenrezept zum Augenoptiker zur Ausführung bringen und dem ausführenden Augenoptiker ein Werkvertrag. Gemäss diesem muss der Augenoptiker für die korrekte Ausführung des Brillenrezeptes garantieren.


Wenn nun auf dem Rezept notwendige Angaben zur Ausführung dieses Rezeptes fehlen  (dies ist bisweilen der Fall) und der Augenoptiker diese nicht in Erfahrung bringen kann, so ist er berechtigt, die Ausführung des Rezeptes zu verweigern. Der Kunde kann jemanden, z.B. den Aussteller des Brillenrezeptes oder den die Rezeptausführung verweigernden Augenoptiker selbst, bitten, eine erneute Brillenbestimmung mit Erhebung aller für die Fertigung einer gut erträglichen Brille notwendigen Daten zu machen.


Wenn dann der Augenoptiker bei seiner Messung erkennt, dass für eine gute Verträglichkeit der Brille ein Prisma notwendig ist (z.B. Höhenabweichung der Augenachsen bei geplanter Gleitsichtbrille oder Beschwerden, die ausschliesslich bei der Arbeit am  Bildschirm vorkommen), muss er zur Vermeidung einer fast sicheren Reklamation das entsprechende Höhenprisma einbauen.


Das sollte dann dem Erstaussteller des Brillenrezeptes gemeldet werden und wird im „courant normal“ auch immer gemeldet.  Dass dieser „courant normal“ nicht immer und überall besteht, ist mir schmerzlich bewusst, jedoch keinesfalls meine Schuld, bemühe ich mich doch seit Jahren, in dieser Sache zwischen Augenärzten und Augenoptiker ausgleichend zu wirken, wenn ich damit konfrontiert werde.


Was weiter vorkommt, ist der Fall, dass Kunden eine neu gefertigte Brille nicht gut ertragen und es aus gewissen Gründen scheuen, sich beim Rezeptaussteller erstmals oder wiederholt deswegen zu melden (wenn etwa gesagt wurde, die Brille sei schon in Ordnung und man müsse sich halt nur daran gewöhnen und richtig durch die Gläser hindurchschauen), und dann der Augenoptiker einspringt, und oft auf eigene Kosten die Brille nachbessert.


Eine dritte Möglichkeit, die auch vorkommt ist folgende: Der Kunde bittet den Augenoptiker, das augenärztliche Rezept doch bitte noch einmal zu überprüfen, „weil es so schnell gegangen sei und sie dem Rezept deshalb nicht ganz trauen“. In diesem Fall ist wohl nicht der Augenoptiker zu schelten.


Das sogenannte „eigenmächtige Abändern ärztlicher Brillenrezepte“ ist rechtlich gesehen meist ein Verweigern der Auftragsannahme durch den Augenoptiker, ein Nicht-Zustandekommen des Werkvertrages, in anderen Fällen ein kulantes Nachbessern einer schlecht verträglichen Brille. Jeder Kunde kann verlangen verlangen, dass ein ärztliches Brillenrezept ganz genau nach Rezept ausgeführt wird und jeder Augenoptiker kann verweigern, einen Auftrag anzunehmen.

zu 3.3):

„Die Augen werden faul durch Prismen“. Das ist grober Unfug und zeugt von einer mangelhaften Kenntnis der Physiologie der Augenmuskeln. Was richtig ist: Die Augen werden „fleissiger“ im Sinne des normalen Augengebrauchs, denn es wird nur eine  sinnlose Überlastung entfernt und die Blickbewegungen (sogenannte Sakkaden) werden rascher und präziser. Die Augenmuskeln werden dank einer korrekt nach MKH bestimmten Prismenbrille, wiederum im Sinne des normalen Augengebrauchs, leistungsfähiger bei geringerer Ermüdung, weil bisher notwendige wiederholte Feinkorrekturen der Augenstellung am Ende jedes Blicksprunges wegfallen oder wesentlich verringert sind. Wie anders ist es möglich, dass mit Prismenbrille fast immer (bei Personen, die ziemlich gut Lesen können – bei Lese/Rechtschreibstörungen muss zuerst der Schriftcode gelernt, d.h. automatisiert, worden sein, was aber durch eine nach MKH angemessene Prismenbrille fallweise auch verbessert wird) die Lesegeschwindigkeit wesentlich ansteigt? Bei Lese/Rechtschrebstörungen fällt aus den gleichen Gründen beim Tragen einer korrekt nach MKH bestimmten Prismenbrille das Erlernen des Schriftcodes leichter.


Es würde doch etwa niemandem einfallen, bei einem gut motorisierten Auto die Handbremse im Stadtverkehr ständig etwas anzuziehen, damit der Motor entsprechend seiner Leistungsfähigkeit mehr arbeiten muss, oder die Schaufel eines Bauarbeiters mit 5 Kilo Blei zu beschweren, damit seine Arme nicht faul werden, oder, um bei der Sache zu bleiben, die Augen von winkelrechtsichtigen Personen mit Belastungsprismen zu versehen, damit deren Augenmuskeln auch soviel arbeiten müssen wie diejenigen einer winkelfehlsichtigen Person!


Die Faulheit oder Trägheit liegt meines Erachtens klar auf der Seite derjenigen Untersucher, welche sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit der MKH beschäftigen wollen.

zu 3.4):

Prismengläser seien überflüssig, da das Augenpaar eine notwendige Stellungskorrektur selber bewerkstellige.


Der zweite Teil dieses Satzes ist bis zu einem gewissen Grad korrekt. Man muss aber die Zeit, die verstreicht, bis die Ausrichtung der Augenachsen nach einem Blicksprung (Sakkade) hinreichend genau ist, berücksichtigen, was selten getan wird. Nicht nur der Kraftaufwand der Augenmuskeln, sondern auch der Zeitaufwand zur präzisen Ausrichtung der Augenachsen schlägt zu Buche! Da scheint sich ein erstaunlicher Mangel sowohl in der Theorie wie in der Forschung zu zeigen. Das Produkt aus Kraft und Zeit ist, physikalisch gesehen, Leistung. Dies ist nicht der Platz für philosophische Betrachtungen, aber genau hier sind die heutigen Menschen von denjenigen in früheren Jahrhunderten, ja Jahrzehnten, verschieden. Die Leistungen, die heute  dem an und für sich hochleistungsfähigen Augenorgan abverlangt werden, sind durch die technische Entwicklung (Autolenken, Bildschirme betrachten, vermehrter Umgang mit Schriftcode, für das Auge eintönige hochpräzise Beobachtungsaufgaben) wesentlich angestiegen.


Dem muss meines Erachtens in Fällen von Asthenopie (Überlastungsbeschwerden der Augen) durch geeignete Massnahmen Rechnung getragen werden. Wenn Winkelfehler der Augenachsen dafür verantwortlich sind, ist in vielen Fällen eine Prismenbrille, ev. als Zusatz zu Kontaktlinsen (bei reinen Höhenabweichungen sind kleine Prismenkorrektionen auch mittels Kontaktlinsen möglich) und in seltenen Fällen eine Schieloperation angezeigt. Seit einigen Jahren nehmen die Fachleute der IVBV **)  mit gutem Grund an, dass eine Asthenopie mindestens zum Teil für Lese/Rechtschreibstörungen bei Schulkindern verantwortlich sein kann, und dass bei diesen Fällen korrekt nach MKH bestimmte Prismengläser die beste „Dauersehschule im objektiven (richtigen) Winkel“ seien, da dieser Winkel dank MKH in einer bisher nicht gekannten Präzision bestimmt werden kann.

zu 3.5):

Winkelmessung an Stereotesten. Dies ist zugegebenermassen nicht so leicht zu verstehen. H.J.Haase hat drei Bücher über seine Messmethode verfasst, die selbst für Fachleute keine einfache Lektüre sind. Vereinfacht ausgedrückt ist die Stereosehschärfe (die Empfindlichkeit, hintereinander liegende Punkte als zwei getrennte Objekte wahrzunehmen, im Gegensatz zur „üblichen“ Sehschärfe, welche sich auf nebeneinander liegende Punkte bezieht) dann maximal gross, wenn die beiden Augen ihre Fixationsachsen auf eine Genauigkeit von +/- 10 Bogenminuten horizontal und +/- 5 Bogenminuten vertikal ausgerichtet haben. Diese Präzision ist mittels MKH gelegentlich nicht so einfach, aber unter entsprechendem Zeitaufwand zuverlässig und reproduzierbar zu erreichen, wenn das Augenpaar überhaupt zu normalem Stereosehen fähig ist. Da unser Sehvermögen diesen weiteren Freiheitsgrad, das räumliche Sehen, hat, ist es nur rechtens, sich damit zu befassen, und, gegebenenfalls, es zu Messungen zu verwenden. Dies wird in der MKH gründlich getan und auf geeignete Weise nach gewissen Regeln in kleinsten Schritten (bis hinunter zu achtel Graden) diejenige Winkelstellung gesucht, bei welcher die Stereosehschärfe maximal wird. Niemals werden an den Stereotesten grosse Winkelfehlstellungen gefunden; ein weiterer Punkt, in welchem sich Kritiker wie Prof.J.Lang gründlich irren. Die Erkenntnis, dass im genauen Zentrum der Fixation auch die Stereosehschärfe (und nicht nur die Sehschärfe) maximal gross ist, ist übrigens wie letztere (WERTHEIM 1898) auch etwa hundert Jahre alt .


Die Präzision in der Winkelmessung, die mittels des Polatest-Verfahrens (MKH) erreichbar ist, wurde von BISHOP (1969) tierexperimentell in Einzelzell-Ableitungen von Binokularneuronen in Katzenhirnen bestätigt. Die Verschiebung der Bilder vor den beiden Augen der Katzen um einen Achtel Grad vertikal konnte die Antwort einer einzelnen binokularen Nervenzelle im Sehhirn auslöschen oder stark vermindern.

zu 3.6):

„Einfaltspinselsyndrom“. Als Akademiker sind Augenärzte/ärztinnen in der  gleichen Personengruppe wie die Studenten, an welchen es erstmals beschrieben worden ist. In den letzten Jahrzehnten ist die Ausbildung der Augenärzte in Strabologie (Schielheilkunde) im Vergleich zu früher schlechter geworden und wisssenschaftlich hat das Interesse an diesem Fach abgenommen. Man glaubt, eigentlich fast alles bereits zu wissen und weiss doch nicht alles; der Stoff, aus dem Vorurteile gemacht sind und genau der Punkt, den diese Psychologen in ihrem Artikel angesprochen haben. Die klinische Evidenz, dass Haase (der die MKH entwickelt hat) recht hat, ist für mich äussert hoch. Einige Kollegen von mir können das auch bestätigen. Dass die theoretischen Grundlagen noch nicht „wissenschaftsgültig“ von dritter Seite klinisch überprüft worden sind, ist unglücklich. Es würde die Möglichkeiten einer einzelnen Praxis wie der meinen weit übersteigen, dies zu tun. Eine geplante gross angelegte multizentrische Studie über die MKH bei Kindern ist vor einigen Jahren in der Schweiz von der Augenärzteschaft aktiv hintertrieben und somit verhindert worden. Dies ist schriftlich belegt. Neuerdings (2008) wurde eine weitere, von dritter Seite verlangte neu geplante Studie ähnlicher Art wiederum, diesmal von unbekannter Seite hintertrieben, sodass die damit betrauten Forscher ihre Teilnahme aufgekündigt hatten.

Nachtrag zu Methylphenidat (Ritalin): Der deutsche Neuropädiater und Diplomphysiker PD Dr.med. E. Friederichs hat nachgewiesen, dass mit korrekt nach MKH bestimmten Prismenbrillen im Durchschnitt  4x weniger Ritalin benötigt wird als ohne Prismenbrille (Dosisreduktion von 42 +/-14 mg ohne auf 12 +/-10 mg Methylphenidat mit Prismenbrille). Dies wurde am Kongress der IVBV im Juni 2002 mündlich vorgetragen. Das ist ein klarer  Hinweis darauf, dass bei den kindlichen Auffälligkeiten, welche unter verschiedenen Bezeichnungen wie POS, ADS, Teilleistungsstörung, Wahrnehmungsstörung bekannt sind, das Sehsystem eine wichtige Rolle spielt.

 

*) die weibliche Form gilt immer als eingeschlossen, wenn nur die männliche erwähnt ist.

**) IVBV: Internationale Vereinigung für Binokulare Vollkorrektion, im Internet unter www.ivbv.org vertreten.

 

(Abdruck mit Quellenangabe und Einreichen eines Belegexemplars an den Autor gestattet.)

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